Intrakranielle Blutungen

Die Hirnblutungen werden unter anderem nach dem zeitlichen Verlauf ihres Auftretens in akute und chronische Formen unterschieden. Das chronisch subdurale Hämatom (CSH) ist hier von besonderer Bedeutung im höheren Lebensalter. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts bedeutete diese Erkrankung für die meisten Betroffenen ein Todesurteil. Es handelt sich um eine raumfordernde Blutung zwischen einzelnen Schichten der harten Hirnhaut, die von einer Kapsel umgeben ist. Sie hat die ungewöhnliche Angewohnheit, sich im Laufe von Tagen, Wochen oder sogar Jahren langsam zu vergrößern. Da häufig kein äußerer Anlaß für die Entstehung einer Blutung besteht, muß bei chronischen Kopfschmerzen im höheren Lebensalter, bei dementieller Entwicklung, oder Auftreten neurologischer Ausfälle an das Vorliegen eines CSH gedacht werden. In diesen Fällen führen die modernen schnittbildgebenden Verfahren der Computertomographie oder Kernspintomographie immer zur Diagnose. Nicht zuletzt die weite Verbreitung der radiologischen Methoden in Verbindung mit ständiger Optimierung der neurochirurgischen Methoden haben die Prognose der Erkrankung bis in unsere Tage erheblich verbessert. Heute sind auch bei schweren neurologischen Ausfälle die Chancen für eine vollständige Erholung nach operativer Entlastung des Hämatomes gut. Durch die Miniaturisierung des operativen Zuganges wurden die operativen Risiken reduziert. Zu bedenken bleibt dennoch die Entwicklung eines Rezidives nach erfolgreicher Operation, die zu wiederholten Eingriffen führen kann. Die damit verbundenen Belastungen einer wiederholten Vollnarkose können, da das CSH eine Erkrankung des höheren Lebensalters darstellt, die Prognose negativ beeinflussen. Die neueren Forschungen zielen deshalb auf eine Reduktion des Risikos für die Entwicklung eines Rezidives ab. Herr Prof. Dr. med. R. Weigel aus unserem Team hat in der Vergangenheit die Behandlung des CSH nach eigens erarbeiteten evidenzbasierten Kriterien optimiert und konnte im Rahmen einer medizinischen Dissertation eine damit verbundene Reduktion der Rezidivrate nachweisen. Außerdem forscht er weiterhin an den pathophysiologischen Mechanismen des CSH, die auch heute noch nicht vollständig verstanden sind. Bisherige Ergebnisse unterstützen eine neue Theorie zur Entstehung des CSH, die den krankhaft veränderten Blutgefäßen der äußeren Hämatommembran eine maßgebliche Rolle in der Entstehung des Hämatomes selbst und der Entwicklung der Rezidive zuspricht. Gleichzeitig bietet diese Theorie erstmals auch Ansatzpunkte für nichtoperative Therapiestrategien, die möglicherweise zukünftig als Therapiealternativen zur operativen Versorgung eingesetzt werden könnten.

Die akuten „Hirnblutungen“ stellen in ihrer Mehrzahl akute ernstzunehmende Krankheitsbilder dar, deren Prognose von einer raschen fachgerechten Therapie abhängt. Die Krankheitsverläufe sind häufig langwierig und komplikationsträchtig. In der Regel bedürfen Patienten mit Hirnblutungen einer intensivmedizinischen Betreuung mit Beteiligung mehrerer Fachrichtungen.

Die Hirnblutungen werden nach ihrer Lokalisation von außen nach innen als epidurale (EDH), subdurale (SDH), subarachnoidale (SAB) oder intracerebrale Blutung (ICB) bezeichnet. Die Lokalisation der Blutung sagt bedingt etwas über den Ursprung und die Ursache der Blutung aus. So sind epidurale Blutungen (EDH) ) in der Regel Folge eines Traumas, bei dem der Schädelknochen bricht und ein auf der harten Hirnhaut (Dura) gelegenes Blutgefäß einreißt. Da es sich um ein arterielles Blutgefäß handelt, in dem das Blut mit hohem Druck aus dem Herzen in die Peripherie gepumpt wird, besteht die Gefahr einer rasch entstehenden Druckwirkung auf das Gehirn, die ohne zeitnahe Behandlung zum Tode des Betroffenen führt. Bei rechtzeitiger operativer Behandlung ist dagegen die Prognose sehr gut. Das akute subdurale Hämatom (SDH) ist häufig Ausdruck eines schweren Traumas, bei dem es zu Verletzungen von kleinen Blutgefäßen der Hirnoberfläche kommt. Auch diese Blutung kann eine raumfordernde Wirkung entfalten, so dass eine operative Entlastung notwendig sein kann. Als Ausdruck der bereits erwähnten, primär vergesellschafteten Hirnschädigung ist die Prognose des akut subduralen Hämatomes trotz aller medizinischen Anstrengungen schlechter als beim EDH und hängt entscheidend von der Vermeidung von Folgeschäden in der Phase nach dem Unfall ab.

Die akute Subarachnoidalblutung (SAB) wird in den meisten Fällen von einem spontan einreißenden arteriellen Blutgefäß mit einem Aneurysma (Gefäßaussackung) im Bereich der Schädelbasis verursacht. Kennzeichnend ist ein plötzlich einschießender Vernichtungskopfschmerz nie gekannter Intensität. Wichtig ist eine rasche Diagnosestellung mit Nachweis des aneurysmatragenden Gefäßes. Der Verschluß des Aneurysmas von der Gefäßaußenseite nach Schädeleröffnung durch einen Neurochirurgen oder von der Gefäßinnenseite her (endovaskulär) durch einen erfahrenen interventionellen Radiologen soll eine oft deletäre Re-Blutung verhindern. Auch in der späteren Phase nach der Blutung bestehen Komplikationsmöglichkeiten durch eine blutungsbedingte Verengung der Blutgefäße (Vasospasmus), die zu einer Durchblutungsstörung mit Ausbildung eines Hirninfarktes führen können.

Die intracerebrale Blutung (ICB) wird ebenfalls durch ein spontan einreißendes arterielles Blutgefäß allerdings im Inneren des Hirngewebes ausgelöst. Auch hier klagen Patienten in der Regel über einen plötzlich einschießenden Kopfschmerz in Verbindung mit neurologischen Ausfällen. Da die Blutungen häufig in der Nähe wichtiger Zellhaufen tief im Gehirn entstehen (aufgrund der dort bestehenden Gefäßbesonderheiten), den sog. Stammganglien, werden diese Blutungen auch als Stammganglienblutungen bezeichnet. Außerdem sind die Stammganglien wichtiges Zentrum für die Steuerung der Willkürmotorik und befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Nervenbahnen, die die Nervenimpulse zur Steuerung der Motorik leiten. Entsprechend häufig sind Blutungen in dieser Region mit einem Ausfall der Motorik auf der gegenseitigen Körperhälfte vergesellschaftet. Man spricht von einer Halbseitenlähmung oder Hemiparese.