Diagnostik und Therapie des lumbalen Bandscheibenvorfalles

Diagnostik:
Nach ausführlicher, intensiver, organbezogener neurologischer und körperlicher Untersuchung veranlassen wir bei Vermutung eines Bandscheibenvorfalls bildgebende Untersuchungen.
Wir bevorzugen die Kernspintomographie (strahlenfreie Untersuchung) der Lendenwirbelsäule. In akuten Fällen (selten) ist eine Untersuchung noch am gleichen Tag nötig. Dies wird dann meist aus Zeitgründen im gleichen Haus durchgeführt. In einigen Fällen, wenn z.B. eine zusätzliche Information zur Beurteilung nötig ist, oder bei Patienten mit einem Herzschrittmacher, ist eine Computertomographie notwendig. Nur in Ausnahmefällen wird eine Myelographie bzw. Myelo-CT, das heißt eine Injektion von Kontrastmitteln in den Spinalkanal, nötig.

Therapieentscheidung und Therapie:
Ist ein Bandscheibenvorfall neuroradiologisch gesichert (d.h. im Bild zu sehen), stellt sich die Frage nach der geeigneten Therapie. Wir beziehen uns im Folgenden immer auf Schmerzen, die vom Rücken ins Bein ausstrahlen und nicht auf reine Rückenschmerzen.
Wenn ein Bandscheibenvorfall zu keinen neurologischen Ausfallerscheinungen geführt hat, d.h. insbesondere keine Lähmungserscheinungen aufgetreten sind, wird in der Regel eine konservative Therapie begonnen.

Eine konservative Therapie bedeutet erst einmal die Schmerzen mit schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten zu reduzieren, bis der Bandscheibenvorfall von alleine schrumpft und der eingeklemmte Nerv wieder frei ist. Unter dieser konservativen Therapie, die im Wesentlichen darauf beruht, die Beschwerden für die Zeit des Abwartens erträglich zu machen, werden 85% der Patienten beschwerdefrei. Erfahrungsgemäß geschieht dies in einem Zeitraum von ca. 4-6 Wochen. Sind die Beschwerden nach dieser Zeit nicht weitgehend verschwunden, muss man davon ausgehen, dass es sich um einen Bandscheibenvorfall handelt, der nicht von alleine schrumpft. Es wird in diesem Fall die operative Therapie empfohlen, um eine zügige Beschwerdefreiheit zu erreichen.
Ein Abwarten länger als 6 Wochen („vielleicht wird es doch noch besser“) ist nicht zu empfehlen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Bandscheibenvorfall nach dieser Zeit noch zurückbildet, ist statistisch gesehen sehr gering. Ein längeres Abwarten kann sogar zu einer Schädigung des Nervensystems führen. Es gibt inzwischen Studien, die zeigen konnten, dass ab einer Zeit von etwa drei Monaten mit Schmerzen die Gefahr einer Chronifizierung (chronischer Schmerz) durch die Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses besteht. Man kann sich dies so vorstellen, als wenn am Computer der Bildschirmschoner ausgeschaltet ist und sich das stehende Bild in die Bildschirmröhre einbrennt. Entsteht erst einmal ein solches Schmerzgedächtnis, hat man meist ein Leben lang mit dessen Folgen zu kämpfen.

Grundsätzlich sollte man dem Körper also anfangs die Chance geben, das Problem (in diesem Fall der Bandscheibenvorfall) selber zu lösen. Dies ist der Sinn der konservativen Therapie. Bringt dies nicht den gewünschten Erfolg, sollte man die operative Therapie wählen.
Es sei hier nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle konservativen Therapiemethoden (PRT= „CT gesteuerte Spritze“, Osteopathie, Schmerzmittel, Krankengymnastik etc.) nur das Ziel haben, die Zeit des Abwartens erträglich zu machen. Keine Methode (auch nicht die Krankengymnastik oder die gern bemühte Chiropraktik = „Einrenken“) kann das rausgerutschte Stück Bandscheibe wieder „zurückschieben“.
Lesen Sie hierzu auch Die typischen Vorurteile und Mythen über die Behandlung von Bandscheibenvorfällen.
Es gibt auch Situationen, in denen eine solche „abwartende Therapie“ nicht sinnvoll ist. So sind z.B. Lähmungen wie ein Kraftverlust im Bein oder Fuß ein Grund zur sofortigen Operation. Hierdurch ist die Chance für eine Erholung der Nerven und damit auch eine Wiederherstellung der Kraft sehr viel besser. Dies ist wissenschaftlich mehrfach belegt. Das gleiche gilt für einen Verlust über die Blasenkontrolle und / oder die Stuhlkontrolle (die Blase kann nicht mehr komplett entleert werden bzw. die Kontrolle über den Stuhlabgang fehlt) sowie eine Störung der Sexualfunktion. In diesen Fällen ist Eile geboten und es sollte innerhalb von 48 Stunden operiert werden.

Die operative Therapie des Bandscheibenvorfalles
Die Operation wird in Vollnarkose und in Bauchlage durchgeführt. Nach Röntgendurchleuchtung zur Identifizierung der zu operierenden Bandscheibe wird ein etwa 2-3 cm langer Hautschnitt in der Mitte des Rückens angelegt und anschließend die Rückenmuskulatur schonend auf die Seite geschoben. Nach Eingehen in den Spinalkanal wird mit feinen Instrumenten der Bandscheibenvorfall bzw. Bandscheibensequester (allein im Spinalkanal liegendes Bandscheibengewebe ohne Verbindung zum Bandscheibenraum) entfernt.
Der Eingriff dauert in der Regel etwa eine Stunde. Wir führen die Operationen in mikrochirurgischer Technik (Schlüssellochprinzip) durch. Die gesamte Operation wird unter dem Operationsmikroskop durchgeführt, was einen minimal-invasiven und sicheren Eingriff möglich macht.
Zu anderen Operationsmethoden lesen Sie bitte auch Die typischen Vorurteile und Mythen über die Behandlung von Bandscheibenvorfällen.

Der gesamte Klinikaufenthalt hat sich mit der minimal-invasiven Methode auf 4-5 Tage reduziert. Bereits am Tage nach der Operation können die Patienten umherlaufen.
Lähmungen die vor der Operation bestanden haben, können direkt am Folgetag nach der Operation krankengymnastisch beübt werden. Über das weitere Vorgehen ist im Einzelfall nach Entlassung aus dem Krankenhaus zu entscheiden. In manchen Fällen ist eine Rehabilitationsmaßnahe unter stationären Bedingungen erforderlich. Alle unsere Patienten werden postoperativ engmaschig von uns weiter betreut, so dass auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen entsprechend eingegangen werden kann.